Diffuser Haarausfall nach der Geburt (postpartales telogenes Effluvium)
26. September 2024 - Dr. Uwe Schwichtenberg
Das Telogene Effluvium (TE) ist eine Form des diffusen Haarausfalls, die nicht mit Narbenbildung oder Entzündungen verbunden ist und durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden kann. Das TE kann in zwei Kategorien eingeteilt werden: akut (weniger als sechs Monate andauernd) oder chronisch (mehr als sechs Monate andauernd). Das Hauptmerkmal des TE ist das übermäßige Ausfallen von Telogenhaaren, also Haaren in der Ruhephase, welches typischerweise zwei bis drei Monate nach dem auslösenden Ereignis auftritt. Das Haarwachstum normalisiert sich zumeist wieder, sobald der auslösende Stressfaktor beseitigt ist.
Bei gesunden Menschen befinden sich etwa 85 Prozent der Haare in der Wachstumsphase (Anagenphase) und 15 Prozent in der Ruhe- bzw Ausfallsphase (Telogenphase). Beim TE können bis zu 30 Prozent der Haarfollikel in die Telogenphase wechseln, was zu erheblichem Haarausfall führt. Die genaue Häufigkeit von TE ist unbekannt, aber es kann bei Menschen jeden Alters, Geschlechts oder ethnischen Hintergrunds auftreten. Frauen sind häufiger betroffen, insbesondere durch hormonelle Veränderungen nach der Geburt.
Schwangerschaft und die Zeit nach der Geburt sind mit hormonellen Veränderungen verbunden, die den Haarzyklus beeinflussen können. Während der Schwangerschaft wird die Wachstumsphase (Anagen) durch Progesteron verlängert, was den Haarschaft dicker macht und die Androgenwirkung hemmt. Nach der Geburt sinken die Progesteronspiegel und die Prolaktinspiegel steigen, was zu einem vorzeitigen Übergang der Haare in die Ruhephase führen kann und ein vermehrtes Ausfallen von Telogenhaaren nach Ende der zwei bis drei Monate dauernden Telogenphase begingen kann.
In einer aktuellen Studie wurden neue und wichtige Verbindungen zwischen dem postpartalen Effluvium und anderen eventuell zugrunde liegenden Haarverluststörungen gefunden. Beim postpartalen Telogenen Effluvium (PPTE) kann der übermäßige Haarausfall zugrunde liegende Haarverluststörungen, wie den weiblichen androgenetischen Haarausfall (FAGA) und die Traktionsalopezie (TA) "aufdecken". In der Studie wurden 90,5 % der Patienten sowohl klinisch als auch trichoskopisch als TE in Verbindung mit anderen Haarverluststörungen diagnostiziert. In 56 % der Probanden wurden sowohl ein TE als auch eine AGA gefunden, während nur 9,5 % der Patienten ausschließlich Hinweise auf ein TE zeigten.
Das Bewusstsein für dieses Phänomen sei wichtig für eine angemessene Diagnose und Behandlung. so die Autoren der Studie. Die vorliegenden Ergebnisse unterstützen auch die Bedeutung der Trichoskopie in der Bewertung von Haarverluststörungen. Die Trichoskopie ist eine nichtinvasive Technik, mit der Haarschäfte, Haarfollikelöffnungen und die umgebende Haut sichtbar gemacht werden können. In spezialisierten Praxen geschieht dies mithilfe spezieller Software am Computerbildschirm. Mit ihrer Hilfe kann zwischen verschiedenen Ursachen von Haarausfall unterschieden werden. Die Autoren der Studie plädieren für eine angemessene dermatologische Versorgung von Patientinnen mit Haarausfall nach der Geburt, um eventuell zugrunde liegende Haarverluststörungen zu erkennen. Die Qualität der Diagnose von Haarverlust hängt von der Kombination verschiedener diagnostischer Methoden ab, wie klinische Untersuchung, Haarzupftest, Trichoskopie sowie bei bestimmten Fragestellungen Trichogramm und Histopathologie.
Dr. Andreas Finner (www.trichomed.com), Dr. Uwe Schwichtenberg (www.derma-nord.de)
2024 | |
---|---|