Langzeitanwendung von JAK Inhibitoren bei Alopecia areata
10. Juni 2024 - Dr. Uwe Schwichtenberg
Mitte 2022 hat die EU-Kommission einen ersten JAK-Inhibitor (Wirkstoff Baricitinib) für die Behandlung einer schweren Alopecia areata zugelassen. Die JAK-Inhibitoren sind Substanzen, die Enzyme aus der Gruppe der Januskinasen hemmen. Die Hemmung der Aktivität der Januskinasen wiederum bewirkt eine verminderte Produktion von Botenstoffen wie Interferon-Gamma, die an der Entstehung der Alopecia areata (kreisrunder Haarausfall, im Weiteren abgekürzt als AA) beteiligt sind. Baricitinib ist bereits seit 2017 auf dem Markt und wurde ursprünglich für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis entwickelt. Eine erste Zulassungserweiterung erfolgte 2020 für die Neurodermitis (atopisches Ekzem).
Die Zulassung von Baricitinib für die AA hat die Aufmerksamkeit auf die AA als Autoimmunerkrankung gelenkt. Die langjährige Forderung von Ärztinnen, Ärzten und Patientenverbänden, dass Gesundheitseinrichtungen sich um die Betroffenen mit AA wie um andere Patienten mit Autoimmunerkrankungen müssen, ist somit einen Schritt vorangekommen.
Da eine AA in schwerer Ausprägung eine chronische und häufig wiederkehrende Erkrankung ist, kann eine langfristige Therapie zur Kontrolle der Krankheit erforderlich sein. JAK-Inhibitoren stellen einen wichtigen Fortschritt in der Behandlung von AA dar, aber hochwertige Langzeitdaten zu deren Anwendung bei AA gab es bisher nicht. Der Zulassung von Baricitinib bei AA basiert auf den Ergebnissen zweier Phase 3 Studien (BRAVE-AA1 und BRAVE-AA2), in denen die Patienten zunächst über 52 Wochen lang behandelt wurden. Um weitere Daten hinsichtlich der Langzeitwirksamkeit und Verträglichkeit des Medikamentes zu bekommen, wurden die Studien auch nach der Zulassung des Präparates fortgesetzt. Aktuell wurden nun die Studiendaten bis zur 104 Woche publiziert, also dem doppelten Beobachtungszeitraum wie zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung der Ergebnisse.
Die aktuellen Daten zeigen, dass die Ansprechraten auf das Medikament im Laufe der Zeit weiter steigen, sich also auch eine Wirkung bei Patientinnen und Patienten einstellt, die zunächst nur wenig auf die Therapie reagiert hatten. Auch bei bei Probandinnen und Probanden, die bereits in Woche 52 angesprochen hatten, zeigte sich eine zunehmende Wirkung auf die Haarregeneration und eine verbesserte Lebensqualität. Der Anteil der Betroffenen, bei denen ein Wachstum der Augenbrauen- und Wimpern erreicht wurde, stieg von Woche 52 bis Woche 104 weiter an. Die Häufigkeit von Nebenwirkungen scheint im Laufe der Zeit nicht zuzunehmen und beeinträchtigt die Sicherheit bei langen Therapien nicht. Die Daten legen zudem nahe, dass eine kurze Dauer des aktuellen Schubes der AA (weniger als 4 Jahre) mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der Haarregeneration verbunden sein könnte. Auch scheinen schwerere Formen der AA (Alopecia areata totalis und universalis) eine langsamere Reaktion auf die Therapie zu zeigen.
Man erkennt aus diesen Langzeitdaten, dass schwere Formen der AA eine langfristige Therapie zur Aufrechterhaltung der Haarregeneration benötigen und dass Haarregeneration Monate dauern kann, um sichtbar zu werden. Daher sollte die Bewertung der Wirksamkeit der Behandlung erst Monate nach Beginn der Verabreichung erfolgen. Die Studien BRAVE-AA1 und BRAVE-AA2 laufen noch und werden die Patientinnen und Patienten bis zu 200 Wochen verfolgen. Dies ermöglicht, die Wirksamkeit und Sicherheit von Baricitinib periodisch zu bewerten und Informationen über den langfristigen Verlauf von AA in einer großen Kohorte von Betroffenen zu erhalten.
Dr. Andreas Finner (www.trichomed.com), Dr. Uwe Schwichtenberg (www.derma-nord.de)
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