Interview zum Thema Haartransplantation mit Dr. Andreas Finner
17. April 2013 - Björn Meyer, Webmaster
Sind Haartransplantationen nur etwas für Fußballtrainer und Prominente? Aufgrund der aktuellen Diskussion um die Haartransplantation des Dortmunder Fußballtrainers Klopp fragten wir Dr. Andreas Finner (www.trichomed.com), Mitglied des Expertenrates bei Haarerkrankungen.de, zu den wichtigsten Fakten rund um eine Eigenhaarverpflanzung. Dr. Finner praktiziert in Berlin und anderen Städten.
Zunächst einmal: Wo haben Sie das Handwerk des Haartransplanteurs gelernt? Gibt es so eine Ausbildung in Deutschland?
Dr. Finner: Ich habe die Haartransplantation während eines über 1jährigen Fellowship (Spezialausbildung) in Kanada erlernt, zusätzlich auf Workshops, Hospitationen und Kongressen in den USA und anderen Ländern. Wichtig war, erfahrenen Kollegen über die Schulter zu schauen und deren Techniken mit eigenen Ideen und neueren Methoden sowie Geräten weiterzuentwickeln. Das ist ein ständiger Prozess, denn die Haartransplantation entwickelt sich weiter in Richtung Mikrochirurgie.
Ist eine Haartransplantation für jeden Menschen geeignet?
Dr. Finner: Nein, denn eine Haartransplantation ist eine Umverteilung von Haarwurzeln. Voraussetzung sind also ausreichend gute, unempfindliche Spenderhaare am Hinterkopf. Das wird in der Voruntersuchung vom Haarchirurgen abgeklärt, ebenso wie viele Haare zu transplantieren sind und ob die Diagnose "fortgeschrittene androgenetische Alopezie" oder "inaktive vernarbte Alopezie" stimmt. Zusammen mit Patient oder Patientin wird festgelegt, welche Zonen verbessert werden sollen und wie der Haaransatz gestaltet wird. Das Ergebnis soll ja lebenslang gut aussehen.
Also ist eine Haartransplantation auch für Frauen geeignet?
Dr. Finner: Ja, bei Vernarbungen oder fortgeschrittener androgenetischer Alopezie mit starker Ausdünnung kann auch Frauen damit geholfen werden. Jedoch ist eine dichte Spenderhaardichte am Hinterkopf Voraussetzung. Oft sind zwei Operationen zur Verdichtung des Oberkopfes notwendig.
Was halten sie davon, offen mit seiner HTX umzugehen, wie gerade in den Medien zu lesen?
Dr. Finner: Ich finde es gut, aber es sollte jedem selbst überlassen sein. Haarausfall ist ja immer noch ein Tabuthema, und viele Patienten möchten auch nicht, dass andere es erfahren. Dabei helfen die natürlichen Ergebnisse, die heutzutage durch Transplantation tausender Einzelhaare erreicht werden.
Wird im Ausland offener mit dem Thema umgegangen?
Dr. Finner: Ja, in Ländern wie den USA, Kanada, Brasilien oder den Niederlanden sind Haartransplantationen gang und gäbe, dort haben schon vor Jahrzehnten Prominente über ihre Haartransplantation gesprochen. In Deutschland ist man zwar nicht weniger eitel und möchte jung und dynamisch aussehen, so wie man sich fühlt. Leider gilt es jedoch teils noch als unkorrekt, das auch zuzugeben oder sich gar deshalb einer Prozedur zu unterziehen. Ich finde, hier sollte etwas mehr Gelassenheit einziehen. Wenn es jemanden stört, dann kann er heutzutage etwas dagegen unternehmen, medikamentös oder auch mit einer Eigenhaartransplantation. Nicht jedem steht eine Glatze, gerade in jungen Jahren.
Medikamentös?
Dr. Finner: Es gibt nachgewiesene Haarmedikamente, die in Kombination mit einer Haartransplantation sehr sinnvoll sind. Informationen finden sich hier bei haarerkrankungen.de
Was kostet eine Haartransplantation?
Dr. Finner: Eine Haartransplantation bei einem deutschen, spezialisierten Facharzt kostet im Durchschnitt etwa 5000-6000 Euro. Je nach Aufwand können es einige Tausend Euro mehr oder weniger sein. Die Transplantate bleiben lebenslang kräftig. Bei fortschreitendem Verlust von Originalhaaren kann später eine zweite OP sinnvoll sein. Das kann aber mit Haarmedikamenten oft verhindert werden.
Worauf sollte man achten, wenn man eine HTX plant?
Dr. Finner: In jedem Fall sollte eine seriöse Beratung und Untersuchung bei erfahrenen Haartransplanteuren erfolgen. Nicht alles, was man sich wünscht, ist wirklich sinnvoll. Im Internet und in Foren finden sich zahlreiche Sonderangebote und es werden immer wieder bestimmte Ärzte im Ausland empfohlen. Hier sollte der gesunde Menschenverstand eingeschaltet werden. Eine Haartransplantation ist keine Autoreparatur, sondern ein medizinisch-ästhetischer Eingriff, der gleich gut gelingen soll. Billigangebote sind selten gut und werden bei Fehlern oder Missverständnissen schnell teurer. Etwas Skepsis und Misstrauen sind bei großen Versprechungen angebracht. Seriöse Haartransplanteure finden Sie im Verband deutscher Haarchirurgen VDHC.
Gibt es Nebenwirkungen?
Dr. Finner: Die Prozedur findet in örtlicher Betäubung der Kopfhaut innerhalb einiger Stunden statt. Im Entnahmegebiet am Hinterkopf können nach der Operation vorübergehend Schmerzen und Taubheitsgefühl auftreten. An der Entnahmestelle verbleiben je nach Technik eine schmale überkämmbare Linie oder versteckte kleine Punkte als Narben. Im Empfängergebiet am Vorder- und Oberkopf kommt es einige Tage zu Krusten und Schwellungen. Wundheilungstörungen und Entzündungen sind selten. Mit Medikamenten gegen Schmerzen, Schwellung und Entzündung lassen sich diese Nebenwirkungen weiter vermindern. Die neuen Haare sind nach einigen Monaten zu sehen, das Endergebnis nach 9-12 Monaten.
Arbeiten Sie im Team oder alleine?
Dr. Finner: Eine Haartransplantation ist Teamarbeit. Um die tausenden Haarwurzeln in einigen Stunden zu präparieren und wieder in die Mikroschlitze einzusetzen, helfen mir spezialisierte Krankenschwestern.
Falls man sich noch nicht sicher ist, sollte man erstmal zu einem Gespräch vorbeikommen?
Dr. Finner: Ja, oft planen die Patienten schon anhand von Glatzenrechnern und unseriösem Internetmarketing ihre Haartransplantation, ohne ihre persönlichen Voraussetzungen zu beachten. Diese werden in der Voruntersuchung geklärt, die möglichst vom Haarchirurgen selbst durchgeführt werden sollte. Hier wird die Haarsituation vermessen und ein realistisches Gesamtkonzept erstellt, welches nachhaltig das Aussehen über Jahrzehnte sowie den Einsatz von Haarmedikamenten berücksichtigt.
Wichtig sind auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sowie die persönliche Nachsorge bei diesem Eingriff, denn es soll ja schon beim ersten Mal richtig gut werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
2013 | |
---|---|