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Mein Horror-Tagebuch, Teil III
26. April 2019 - Dr. Uwe Schwichtenberg

Mitte bis Ende Oktober 2018
Die Anzahl der ausgefallenen Haare (weiter gab es Tage mit hohen Ausfallzahlen von durchschnittlich bis zu 500 Haaren) bestimmte weiter den Verlauf meines Alltags und war mein zentrales Gesprächsthema mit meinen engsten Familienmitgliedern. Es fiel mir zunehmend schwer, mich auf andere - aus meiner Sicht - banalere Themen zu konzentrieren. Zuweilen hatte ich keine Lust, mich überhaupt an Gesprächen zu beteiligen.

Durch meine empfundene Hilflosigkeit vereinbarte ich zusätzlich zu Arztterminen viele Reiki-Sitzungen und fuhr weite Strecken, um weitere Entspannungspraktiken zu erlernen. Die zum Teil widersprüchlichen Ratschläge aus meiner Umgebung verwirrten mich weiter und zunehmend. Sofern ich an einzelnen Tagen einen Rückgang der Ausfallzahlen feststellen konnte, hatte dies direkte Auswirkungen auf meine Stimmung. Dies war aber nie anhaltend und so folgte auf einen angenehmeren Tag, immer gleich ein als Katastrophe empfundener.

Ich war weiter nur darauf fixiert, eine Prognose zum Ende des Haarausfalles zu erhalten. Die immer gleichlautenden Aussagen meines Arztes hierzu deprimierten, frustrierten und machten mich gleichermaßen traurig. Die Angst, nicht mehr ernstgenommen zu werden, brachte mich zusätzlich auch auf. Immer wieder wurde ich nun zu dringend notwendigen Haarwäschen und Behandlungen der Kopfhaut mit einem schuppenlösenden Öl aufgefordert. Ich hatte meine Haare schon seit einigen Wochen kaum noch richtig waschen können und der "Schuppenpanzer" wurde laut Aussage meines Arztes mittlerweile so massiv, dass alleine dieser zu einem Ausfallen der Haare führen könnte. Rational wusste ich dies selber, konnte meine Angst jedoch nicht überwinden. Ich sah mich weiter nicht in der Verfassung, die großen Mengen an zusätzlich ausfallenden Haaren zu ertragen. Deshalb war ich enttäuscht und auch wütend auf mich selber. Ich musste Geduld und Mut aufbringen, die ich einfach nicht mehr hatte. So sah ich mich auch nicht in der Lage zum Beispiel, für meine Familie zu kochen, Handarbeiten vorzunehmen, wieder in Kontakt zu verständnisvollen Freundinnen zu treten, wie es mir mehrfach geraten wurde. Ich konnte mich auch auf diese Weise nicht ablenken oder Kraft sammeln.

November 2018
Weiterhin verfolgte ich nur noch das Aussehen meiner Haare, zählte oder überschlug die Menge der ausgefallenen und kontrollierte verängstigt meine sich zunehmend verschlechternde Optik. Immerhin reduzierte ich meine Termine dahingehend, dass ich noch lediglich meinen "Haar-Arzt", einen Hausarzt und eine neu empfohlene Heilpraktikerin aufsuchte. Die sich häufig widersprechenden Auskünfte und Verordnungen fielen somit weg. In der Konsequenz wurde ich etwas ruhiger.

Dennoch fühlte ich mich "um mein Leben betrogen". Sämtliche meiner Fragen zielten weiterhin darauf ab, das Ende des Ausfalls zeitlich zu benennen. Ich stieß damit natürlich zuweilen auf Unverständnis bei meinen Vertrauenspersonen. Ich machte auch sie hilflos und von Zeit zu Zeit wütend.

Da ich die selbst auferlegte Isolation jedoch am Ende des Monats November nicht mehr ertragen konnte, nahm ich vorsichtig wieder Verbindung zu einer Nachbarin auf. Durch ihren verständnisvollen Umgang verbesserte sich meine Stimmung zumindest etwas. Ich sah auch nicht mehr ganz so kritisch auf mein Erscheinungsbild wie noch wenige Tage zuvor. Dennoch war ich noch ganz überwiegend wirklich verzweifelt.

Anfang bis Mitte Dezember 2018
Meine Situation änderte sich bis zum Beginn des Monats Dezember weiterhin nicht entscheidend. Nur sehr langsam nahm ich eine leichte Veränderung meiner Haarstruktur zum Besseren wahr. Sehr häufig gab es weitere "schlechte Tage" mit extremem Haarverlust von immer noch bis zu 300 Haaren. Die trockene, stark verschuppte Kopfhaut führte in diesem Stadium dazu, dass sich Teile meines Kopfes wie betäubt anfühlten. Dennoch konnte ich mich nicht überwinden, die Haut konsequent mit Öl und Shampoo zu bearbeiten. Schließlich konnte mich mein Arzt "überreden", zumindest ein paar Nächte über das Schuppen-lösende Öl anzuwenden. Daraufhin erklärte er sich bereit, den nun weicher gewordenen "Schuppenpanzer" selbst in seiner Praxis mit einem feinen Kamm zu entfernen. Eine Alternative zu diesem Verfahren sah ich nicht. Auch von meinem Mann konnte ich keine Berührung der Kopfhaut ertragen. Mein Arzt sagte dazu, er kenne ein solches Vorgehen bereits. Er erinnerte sich dabei an eine Patientin, die extra ein Beruhigungsmittel einnehmen musste, damit er ihr überhaupt auf die Kopfhaut schauen durfte. Das Verhalten der genannten Dame resultierte hier aus der Angst, er könne die Diagnose erblich bedingter Haarausfall stellen. Dieser wurde jedoch gar nicht attestiert, sondern es handelte sich ebenfalls um einen Fall diffusen Haarausfalls.

In der Folge der Schuppenentfernung erholten sich die Haare wesentlich besser: neue Haare wuchsen schneller nach, die Haarstruktur verbesserte sich schnell sichtbar, die Angst vor den Haarwäschen ließ sofort nach. Vor allem hatte dies jedoch weitreichende positive Auswirkungen auf mein Empfinden; damit auf mein Verhalten und meine gesamte Lebensgestaltung. Mein Arzt fragte mich dazu, wieviel Haare ich zwischenzeitlich pro Tag noch verlieren würde. Ich konnte dieses mit ungefähr 100 und 200 angeben; was so ziemlich der Norm entspricht. Und das schon seit über zwei Wochen. Das fiel mir erst in diesem Moment auf. Ich hatte vor lauter Angst die Normalisierung meines Haarausfalls überhaupt nicht wahrgenommen.

Vor-Weihnachtswoche Dezember 2018 & Ausblick
Innerhalb kürzester Zeit nach dem Abklingen der Angst vor dem Haarewaschen befinde ich mich nun wieder in den weihnachtlich dekorierten Geschäften. Mein Anblick in den Spiegeln der Läden erschreckt mich noch etwas, aber ich bin glücklich. Und den Menschen dankbar, die mich unterstützt haben.

Mir ist bewusst, dass mich Blicke - die oftmals sicherlich eingebildet sind - noch lange verunsichern werden, da ich sie auf das "negative" Aussehen meiner Haare beziehen werde. Unbedachte Äußerungen werden mich treffen. Auch die Berührungsempfindlichkeit - besonders bei anstehenden Friseurbesuchen - wird sicherlich noch weiter bestehen. Aber durch das Abklingen des Haarausfalles wird mich dies nicht mehr in die Depression führen, nicht den absoluten Verlust jedes Selbstwertgefühles zur Folge haben und es wird keine komplette soziale Vereinsamung daraus resultieren.

Mein Arzt fragte mich an einem Punkt, ob ich den geschilderten Krankenverlauf nicht einmal tagebuchartig aufschreiben könnte und was ich anderen Frauen in einer ähnlichen Situation raten würde. Das Aufschreiben hat mir geholfen, die schwierige Zeit zu verarbeiten. Was ich anderen Frauen anschließend raten möchte, ist das Folgende: Es ist wichtig, viel Geduld aufzubringen. M.E. sollte man sich nicht durch zu viele Ratschläge verrückt machen lassen, sondern sich ein paar Personen (Freunde, Ärzte, Heilpraktiker etc.) suchen, bei denen man "bleibt"; als eine Art Team.

Nach "der einen Ursache" zu suchen, "die endlich mal gefunden werden muss", ist nach Aussage meines Arztes dabei aber häufig nicht erfolgreich. Woran der extreme Haarausfall bei mir letztlich gelegen hat und warum es glücklicherweise schließlich besser wurde, wissen auch die Fachleute "in meinem Vertrauens-Team" nicht ganz genau. Mein Arzt vermutet, dass die Begründung in einer Wechselwirkung aus saisonalem Haarausfall nach einem besonders langen und heißen Sommer, attestiertem Eisenmangel und Stress zu sehen ist.

Betroffene sollten sich nicht zu sehr deprimieren lassen, wenn sie hören, dass es sehr viele Gründe für einen diffusen Haarausfall gibt und nur "wenige Stellschrauben" existieren, die in der Behandlung fokussiert werden können. Dies kann dazu führen, dass man selber krampfhaft nach Lösungen sucht. Aber man sollte nicht auf Versprechungen z.B. im Internet hereinfallen. Ganz entscheidend ist auch, dass man sich bewusst macht: Man ist nicht die einzige Person mit diesem Problem auf der Welt und auch nicht diejenige, die von allen am schlimmsten betroffen ist.

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