Weitere Berichte von der EHRS Tagung in London
5. August 2006 - Dr. Jens Meyer
Die genaue Ursache des kreisrunden Haarausfalls (Alopecia areata, AA) ist noch weitgehend unbekannt. Man nimmt jedoch an, dass Immunzellen, sogenannte T-Zellen, in der Entstehung der Erkrankung eine besondere Rolle spielen. Die Haare werden letztendlich vom Immunsystem als "fremd" erkannt und deshalb abgestoßen. Auf der Tagung der europäischen Haarforschungsgesellschaft (EHRS) im Juni 2006 in London stellte eine koreanische Gruppe von Haarforschern eine Studie zur Behandlung schwerer Formen der Alopecia areata vor. In dieser Untersuchung erheilten 46 Personen mit ausgedehnter AA eine innerliche Kombinationstherapie aus Ciclosporin A und Methylprednisolon. Ciclosporin A ist ein die Immunreaktion des Körpers unterdrückendes Medikament, was ursprünglich in der Organtransplantation angewendet wurde. Mittlerweile wird die Substanz auch bei schweren Formen von Schuppenflechte und Neurodermitis eingesetzt. Methylprednisolon wiederum ist ein Kortisonpräparat zur innerlichen Anwendung. Die Kombinationsbehandlung führte bei 38 Personen zu deutlichem Neuwachstum von Haaren (entsprechend 88% der Behandelten). In 5 Fällen zeigte die Therapie keinerlei Erfolg. 3 Patienten mussten die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen (Magen-Darm Probleme oder Schwellungen des Gesichtes) abbrechen. Die Mediziner schlossen aus ihren Ergebnissen, dass die Kombinationstherapie mit Ciclosporin A und Methylprednisolon ein effektives Verfahren in der Behandlung der schwereren Alopecia areata sein kann. Jedoch müsste aufgrund der zahlreichen möglichen Nebenwirkungen eine genaue Überwachung der Patienten erfolgen.
In einer weiteren Arbeit stellte eine japanische Gruppe von Wissenschaftlern erste Ergebnisse zur Behandlung des anlagebedingten Haarausfalls (androgenetische Alopezie, AGA) des Mannes mit Roxithromycin (RXM) vor. Roxithromycin ist ein Antibiotikum, das bei verschiedenen bakteriellen Infektionen des Körpers zur Anwendung kommt. In letzter Zeit gab es jedoch vermehrt wissenschaftliche Berichte darüber, dass Roxithromycin auch Auswirkungen auf die Aktivität verschiedener Körperzellen hat. Zu diesen Zellen gehören die Langerhans Zellen, die verschiedenen regulative Funktionen innerhalb der Haut erfüllen, die Keratinozyten, die "Bausteine" von Haut und Haaren, sowie die T-Zellen, die wiederum eine wichtige Schaltstelle im menschlichen Immunsystem darstellen. In der aktuellen Untersuchung entnahmen die Wissenschaftler zunächst menschliche Haarfollikel, die im Anschluss als Zellkulturen 6 Tage mit Roxithromycin als Zusatz kultiviert wurden. Die Haarfollikel zeigten daraufhin ein deutlich stärkeres Längenwachstum als Haarfollikel, die ohne Zusatz von RXM kultiviert wurden. In einem nächsten Schritt wendeten 11 Männer mit anlagebedingtem Haarausfall Roxithromycin 1x/Tag als äusserliche 0,5%ige Lösung an. Der Untersuchungszeitraum betrug 6 Monate. Der Erfolg der Behandlung wurde mittels Photographien überprüft. Als Ergebnis zeigten 4 Patienten eine mittelstarke, 4 Patienten eine leichte und 3 Teilnehmer keine Verbesserung des Haarwachstums. Während der Behandlung traten keine Nebenwirkungen auf.
Die Autoren der Studie sehen in Roxithromycin einen vielversprechenden Kandidaten für die äusserliche Behandlung der AGA. Zu Bendenken gibt es jedoch, dass die kleine Anzahl der Patienten und die kurze Beobachtungszeit von nur 6 Monaten eigentlich keine Aussagen über den wirklichen Nutzen der Behandlung zulassen. Es ist daher mehr als fraglich, ob sich der Wirkstoff als Alternative zu den etablierten äußerlichen Wirkstoffen wie z.B. Minoxidil wird durchsetzen können.
2006 | |
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